Anfechtung im umgangssprachlichen Sinn vs. Anfechtung im juristischen Sinn
Die Testamentsanfechtung ist ein gutes Beispiel dafür, wie weit allgemeiner und juristischer Sprachgebrauch auseinanderfallen können. Oftmals wird nämlich umgangssprachlich unter „Anfechtung eines Testaments“ jeglicher Angriff auf ein Testament, also auch die Unwirksamkeit aus Formgründen, Nichtbeachtung von Pflichtteilsrechten, Auslegungsstreitigkeiten oder falsche Erbquoten, verstanden. Dies alles hat aber mit der Testamentsanfechtung im juristischen Sinn nichts zu tun.
Das Gesetz versteht unter der Anfechtung eines Testaments ein Instrument zur Korrektur „falscher“ Testamente. Für Situationen, in denen der Erblasser einem sog. Motivirrtum unterlag (das ist ein Irrtum über die Umstände, die das Motiv für sein Testament bildeten, also z.B. das Vertrauen auf eine lebenslange Partnerschaft) soll der Erbe die Möglichkeit haben, die Verfügung des Erblassers anzufechten, wenn der Erblasser sein Testament nicht mehr an die veränderte Situation angepasst hat. Eine weitere Konstellation ist die Übergehung von Pflichtteilsberechtigten. Wird ein Testament verfasst und kommt nach der Abfassung ein weiterer Pflichtteilsberechtigter hinzu, sei es durch Geburt eines neuen Kindes oder durch Heirat, kann die Verfügung angefochten werden.
Umfang der Anfechtung
Angefochten werden kann nur eine einzelne Verfügung in einem Testament und zwar nur in dem Umfang, wie der Erblasser tatsächlich einem Irrtum unterlag bzw. sie den neuen Pflichtteilsberechtigten beeinträchtigt. Ein Testament enthält häufig ja nicht nur eine einzelne Verfügung (ich setze meine Tochter als Erbin ein) sondern mehrere (Vermächtnisse, Auflagen etc.). Die Anfechtungserklärung muss sich dann immer auf eine (oder mehrere) bestimmte Verfügungen beziehen und kann nicht einfach „das Testament“ anfechten – im Ergebnis kann es natürlich der Fall sein, dass das gesamte Testament angefochten wird.
Folge einer Anfechtung ist die Beseitigung der angegriffenen Verfügung, d.h. an die Stelle der angefochtenen Verfügung tritt die gesetzliche Regelung; in aller Regel also die gesetzliche Erbfolge. Niemals kann die Anfechtung dazu führen, dass ein neues Testament angenommen wird, z.B. „hätte der Erblasser die wahren Umstände gekannt, so hätte er X statt Y als Erben eingesetzt“. Die Anfechtung hat also ausschließlich destruktiven Charakter, d.h. in dem Beispiel würde die Erbeinsetzung des Y beseitigt werden und an ihre Stelle die gesetzliche Erbfolge treten.
Anfechtungsberechtigte, Form und Frist
Die Anfechtung kann nach dem Tode durch diejenigen erklärt werden, die bei Beseitigung der angegriffenen Verfügung unmittelbar begünstigt wären. Aber auch eine Anfechtung durch den Erblasser selbst ist möglich – wie kann das sein, der Erblasser kann doch einfach ein neues Testament errichten (link testamentserrichtung)? Solch eine Selbstanfechtung betrifft vor allem Erbverträge, in denen sich Erbvertragsparteien den Rücktritt nicht vorbehalten haben und deren Verfügungen deshalb bereits zu Lebzeiten bindend geworden sind. In diesen Fällen kann auch der Erblasser selbst seine Verfügung anfechten, da er ja keine andere Möglichkeit hat, anderweitig wirksam zu testieren und so auf veränderte Situationen zu reagieren.
Die Anfechtung muss innerhalb eines Jahres nach Kenntnis vom Anfechtungsgrund erklärt werden. Nur wem gegenüber? Der Erblasser ist ja tot. Erklärungsempfänger ist das Nachlassgericht, eine Abteilung des Amtsgerichts am letzten Wohnort des Erblassers. Die Anfechtungserklärung ist formgebunden, sie muss vor einem Notar erklärt werden. Maßgeblich für die Fristwahrung ist allerdings nicht die Abgabe der Erklärung beim Notar, sondern der Eingang der beurkundeten Erklärung beim Amtsgericht.
Ausgeschlossen ist die Anfechtung, wenn feststeht, dass der Erblasser seine Verfügung auch in genauer Kenntnis dieses Falles getroffen hätte. Dies kann entweder durch Auslegung festgestellt werden aber auch durch ausdrückliche Anordnung im Testament.