Gegenleistung für Erbverzicht – eine Schenkung
Es ist eine auf den ersten Blick erstaunliche, aber durchaus übliche Gestaltungsvariante zu denen der Rechtsanwalt im Erbrecht raten wird, dass zukünftige potentielle Erben dem Erblasser gegenüber zu Lebzeiten einen Erbverzicht und einen Pflichtteilsverzicht abgeben. Für ihr Ausscheiden erhalten sie in aller Regel eine Gegenleistung. Es war bisher im juristischen Schrifttum umstritten, ob eine solche Gegenleistung als Schenkung zu qualifizieren ist oder nicht. Aber warum ist dieser Unterschied so wichtig? Dies hat im Wesentlichen drei Gründe: zum einen löst eine Schenkung – oftmals von den Parteien unerkannt – Schenkungsteuer aus. Zum anderen besteht bei einer Schenkung die Möglichkeit, diese wegen groben Undanks oder Verarmung des Schenkers zu widerrufen. Schließlich ist dies auch für die Frage relevant, ob hinsichtlich der Gegenleistungspflicht Pflichtteilsergänzungsansprüche bestehen.
Der Bundesgerichtshof hat nun in einem neueren Urteil diese Streitfrage für die Frage der Widerrufsmöglichkeit entschieden. Diesem Urteil lag ein Fall zu Grunde, in dem die Tochter ihrem Vater gegenüber den Erb- und Pflichtteilsverzicht erklärte und als Gegenleistung hierfür Anteile an einer Wohnung erhielt. Die Tochter verhielt sich dann aber nicht so wie vom Vater gewünscht und dieser widerrief deshalb die Schenkung wegen groben Undanks. Der BGH macht in seiner Entscheidung zunächst deutlich, dass die Frage für alle drei Folgen (hinsichtlich der Steuern, Widerrufsmöglichkeit, Pflichtteilsergänzungsansprüche) getrennt beurteilt werden müsse. Dies bedeutet, dass der Ausgangspunkt der Betrachtungen weniger die Übertragung als solche ist, sondern vielmehr die Frage welche Konsequenzen diese im jeweiligen Rechtsgebiet (Steuerrecht, Schenkungsrecht, Pflichtteilsrecht) nach sich zieht. Im Extremfall kann dies bedeuten, dass man bei ein und derselben Übertragung zu zwei verschiedenen Ergebnissen gelangen kann. Die pflichtteilsrechtliche Frage hatte der BGH bereits in der Sache IV ZR 58/07 entschieden. Da die Lage hier ziemlich unübersichtlich ist, sollten solche Konstruktionen nur mit Hilfe eines im Erbrecht versierten Rechtsanwaltes „gebaut“ werden.
Doch was sind diese schenkungsrechtlichen Wertungen, die sich so von den pflichtteilsrechtlichen Wertungen unterscheiden? Es sind in erster Linie die Widerrufsmöglichkeiten wegen Verarmung des Schenkers oder groben Undanks. Der Schenker kann wegen seiner Freigebigkeit zwar keine Gegenleistung erwarten, wohl aber Unterstützung für den Fall, dass er selber in Not gerät bzw. ein gewisses Maß an Dankbarkeit erhalten bleibt. Dies gilt auch für den Fall, dass bei der Übertragung vereinbart wird, dass der zugewendete Gegenstand auf den Pflichtteil anzurechnen bzw. im Falle der Erbauseinandersetzung auszugleichen ist. Dieses Argument zieht der BGH nun auch im Falle des Erb- und Pflichtteilsverzichts heran. Er führt dazu wie folgt aus: verliert der Zuwendende nach der Zuwendung sein verbliebenes Vermögen und gerät hierdurch in wirtschaftliche Not, ist es nicht zu rechtfertigen, ihm dem Rückübertragungsanspruch gegen den Beschenkten zu versagen nur weil der Beschenkte auf sein – in diesem Fall wertloses – Erb- und Pflichtteilsrecht verzichtet hat. Damit würde das Gegenteil der erstrebten Ausgleichung bewirkt, nämlich der zu Lebzeiten des Erblassers Beschenkte dauerhaft besser gestellt als der Erb-oder Pflichtteilsberechtigte.
Eine schwere Verfehlung kann ferner mit der Pflichtteilsentziehung geahndet werden. Danach bleibt nach Ansicht des BGH die Zuwendung für ein Erb-oder Pflichtteilsverzicht eine Schenkung, wenn diese nach dem Willen der Parteien der Ausgleichung der lebzeitigen Zuwendungen bei der Erbfolge dienen soll. Ein solcher Wille ist immer dann anzunehmen, wenn die Zuwendung wertmäßig in etwa der Erberwartung entspricht oder diese gar übersteigt, denn dann erhält der Beschenkte ja nur das, was er ohnehin bekäme.
Für alle Fragen rund um das Erbrecht stehe ich Ihnen als Rechtsanwalt gerne jederzeit zur Verfügung.
BGH, Urteil vom 7. Juli 2015, X ZR 59/13