Testaments- vollstreckung und Gesellschaftsrecht

Rechtlicher Rahmen

Die Testamentsvollstreckung ist das Mittel der Wahl, wenn der Erblasser nach seinem Tod noch weiterhin die Geschicke des Nachlasses quasi aus dem Grab heraus lenken möchte; der Testamentsvollstrecker ist nämlich ausschließlich den Anordnungen des Erblassers verpflichtet. Auf die Interessen und Befindlichkeiten der Erben muss der Testamentsvollstrecker keine Rücksicht nehmen, denn es ist gerade das Wesen der Testamentsvollstreckung, dass das Amt unabhängig von den Erben ausschließlich im Sinne des Erblassers geführt werden kann. Selbst wenn die Testamentsvollstreckung zum Wohl der (z.B. minderjährigen) Erben angeordnet wurde, können diese keinen Einfluß auf die Amtsführung nehmen und den Testamentsvollstrecker zu ihrem Verwalter machen. Dies heisst aber nicht, dass der Testamentsvollstrecker mit dem Nachlass verfahren kann, wie er möchte und diesen schlimmstenfalls verschleudern kann. Er ist verpflichtet, den Nachlaß unter Berücksichtigung der Anweisungen des Erblassers, die deshalb sehr ausführlich seien sollten, ordnungsgemäß zu verwalten. Tut er dies nicht, müssen die Erben nicht tatenlos zusehen, sondern können ihn zur ordnungsgemäßen Verwaltung zwingen – notfalls auch mittels einstweiliger Verfügung. Zusätzlich macht er sich im Falle eines Pflichtenverstoßes schadensersatzpflichtig. Das Spannungsfeld zwischen dem Anspruch der Erben auf ordnungsgemäße Verwaltung des Nachlasses einerseits und der Unabhängigkeit des Testamentsvollstreckers andererseits beschäftigt die Gerichte häufiger.

Die Entscheidung

Eine besonders interessante Konstellation hatte der BGH im Mai 2014 zu entscheiden. Hier war die Erblasserin Gesellschafterin einer GmbH & Co. KG. Für ihren Nachlass ordnete sie Testamentsvollstreckung an. Die Erben waren nun der Meinung, dass der Testamentsvollstrecker sich schadensersatzpflichtig gemacht hätte, da er aufgrund eines nachteiligen Grundstücksgeschäftes der Gesellschaft finanziellen Schaden zugefügt hätte. Sie verlangten daraufhin von der Geschäftsführung die Einberufung einer Gesellschafterversammlung, um über die Geltendmachung dieser Ansprüche Beschluß zu fassen. Die Geschäftsführung lehnte die Einberufung ab und so luden die Erben selbst zur Versammlung, zu der auch die Geschäftsführung und der Testamentsvollstrecker erschienen. Diese stimmten nicht mit und rügten den Einberufungsmangel. Dennoch wurde Beschluss durch die Erben gefasst. Der Testamentsvollstrecker klagt nun auf Feststellung der Nichtigkeit der Beschlüsse – mit Erfolg. Der BGH gab ihm schließlich Recht.

Entscheidend sei, so das Gericht, zwei Ebenen auseinanderzuhalten: die gesellschaftsrechtliche und die erbrechtliche Ebene. Ist umfassende Testamentsvollstreckung wie in diesem Fall angeordnet, dürfen die Erben ihr Stimmrecht nicht mehr ausüben, da dies nur der Testamentsvollstrecker tun kann. Nun gibt es aber den gesellschaftsrechtlichen Grundsatz, dass niemand Richter in eigener Sache seien darf, also wenn im Raume steht, dass sich der Testamentsvollstrecker schadensersatzpflichtig gemacht hat, darf er über die Frage der Verfolgung von Ansprüchen gegen ihn darüber nicht abstimmen. In diesem Ausnahmefall seien ausnahmsweise die Erben selbst stimmberechtigt. Die Konsequenz wäre, dass die Erben über dieses Vehikel die Testamentsvollstreckung quasi leerlaufen lassen könnten. Der BGH hat dies noch einmal bekräftigt, stellt aber weiterhin fest, dass die Erben nicht zur Einberufung einer Gesellschafterversammlung ermächtigt waren.

Zwar sehen der Gesellschaftsvertrag und das Gesellschaftsrecht für den Fall der Weigerung der Geschäftsführung, eine Versammlung einzuberufen, als Minderheitenrecht das Recht der Antragsteller vor, die Versammlung selbst einzuberufen, in diesen Fällen besteht dieses Recht aber nicht. Der BGH begründet seine Auffassung damit, dass so ein Streit aus der erbrechtlichen Ebene, nämlich die Frage der ordnungsgemäßen Verwaltung, in das Gesellschaftsrecht übertragen würde. Einberufungsberechtigt bleibt damit alleine der Testamentsvollstrecker und die Erben können für den Fall seiner Weigerung nicht selbst die Einberufung durchführen.

Nun mag man einwenden, dass damit ja die Rechte der Erben im Falle des Pflichtenverstoßes des Testamentsvollstreckers leerlaufen würden. Auf diese Weise könne sich der Testamentsvollstrecker alle lästigen Beschlüsse vom Halse halten. Dieses Problem sieht der BGH und stellt fest, dass den Erben ja nun die Ebene des Gesellschaftsrechts zur Verfügung steht. Da der Testamentsvollstrecker zur ordnungsgemäßen Verwaltung verpflichtet ist, können ihn die Erben auf Einberufung der Versammlung als Maßnahme der ordnungsgemäßen Verwaltung gerichtlich in Anspruch nehmen – notfalls auch im Wege der einstweiligen Verfügung. Stellt das Gericht fest, dass die Einberufung zu diesem Thema ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht, muß er die Versammlung einberufen, auf der er dann nicht mehr stimmberechtigt ist. Das mag umständlich sein, auf diese Weise ist aber sichergestellt, dass nicht jedes subjektive Empfinden eines Erben, der Testamentsvollstrecker mache sich schadensersatzpflichtig oder verwalte den Nachlass nicht ordnungsgemäß, in die Gesellschaft hineingetragen wird, sondern zuvor zwischen den Erben und dem Testamentsvollstrecker geklärt wird und auch gleichzeitig festgestellt wird, ob die gewünschte Maßnahme tatsächlich ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht. Der BGH sagt dazu: “Die Erben sollen nur dann ihre Überzeugung von der ordnungsgemäßen Ausübung der Gesellschafterrechte in der Gesellschaft durch eine Anweisung an den Testamentsvolllstrecker durchsetzen können, wenn ein Gericht festgestellt hat, das die von ihnen gewollte Maßnahme für die ordnungsgemäße Verwaltung des Nachlasses erforderlich ist.“ Durch die Anordnung der Testamentsvollstreckung wollte der Erblasser ja gerade, dass die Gesellschaft frei von solchen Streitigkeiten bleibt und der Testamentsvollstrecker hier alleine entscheiden kann – es sei denn, ein Gericht bestimmt etwas anderes.

Für Fragen rund um die Testamentsvollstreckung stehe ich gerne zur Verfügung.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 13. Mai 2014, II ZR 250/12

Zurück zur Übersicht