Wann ist man erbunwürdig?

Rechtlicher Rahmen

Hat der Erbe schwerste Verfehlungen gegen den Erblasser begangen, so ist dieser erbunwürdig. Folge der Erbunwürdigkeit ist, dass ihm die Erbschaft nicht anfällt. Der Erbunwürdige wird so behandelt, als ob er nicht gelebt hätte und die Erbschaft fällt demjenigen an, der an seiner Stelle berufen wäre. Die Feststellung der Erbunwürdigkeit kann nur durch Anfechtung des Erbschaftserwerbes im Wege der Anfechtungsklage erfolgen. Diese Klage kann jeder erheben, der als Erbe in Betracht kommt. Wichtig: die Klage muss innerhalb der Jahresfrist erhoben werden. Es ist daher dringend darauf zu achten, dass nicht etwa lediglich im Erbscheinsverfahren oder außergerichtlich geltend gemacht wird, dass der Erbe erbunwürdig ist und auf diese Weise die Fristen verpasst werden.

Aber wann ist jemand erbunwürdig? Klar ist, dass nicht jede Verfehlung gegen den Erblasser zur Feststellung der Unwürdigkeit führt. So reicht es nicht aus, wenn über Jahre hinweg kein Kontakt zwischen Erbe und Erblasser besteht und kein Unterhalt gezahlt wird. Auch wenn der Erblasser mehrfach geäußert hat, dass er mit dem Erben nichts mehr zu tun haben möchte, reicht dies nicht aus. Erbunwürdigkeitsgründe sind in erster Linie die Tötung oder versuchte Tötung des Erblassers, die widerrechtliche Verhinderung der Errichtung einer Verfügung von Todes wegen oder eine Drohung, auf die eine Verfügung von Todes wegen errichtet wurde.

Inhalt der Entscheidung

Der BGH hatte jüngst über die Frage zu entscheiden, ob bei einer versuchten Tötung die Beweggründe für die Beurteilung der Erbunwürdigkeit eine Rolle spielen und ob ein solcher Versuch schuldhaft erfolgt seien musste. Der Entscheidung lag eine Klage des Sohnes der Erblasserin gegen seinen Vater zu Grunde, der im Februar 2012 versucht hatte, die Erblasserin, die Mutter des Klägers und Ehefrau des Beklagten, zu töten. Die Erblasserin war im Jahre 1997 an Alzheimer erkrankt und seit 2002 in einem Heim untergebracht. Ab dem Jahr 2003 erhielt sie eine PEG-Sonde und wurde künstlich ernährt. Verbale Kommunikation mit ihr war nicht mehr möglich, und sie verließ auch das Krankenzimmer nicht mehr. Der Beklagte geriet aufgrund dieser schwierigen Situation in Depressionen und durchtrennte im Februar 2012 den Schlauch der Magensonde, um das Leiden seiner Frau zu beenden. Das Pflegepersonal flickte den Schlauch jedoch und die Erblasserin starb einen Monat später unabhängig von diesen Tötungsversuch. Eine Patientenverfügung bestand nicht. Der Beklagte wurde vom Strafgericht wegen versuchten Totschlags in einem minder schweren Fall zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung verurteilt. Der Sohn des Erblassers erhob fristgemäß Anfechtungsklage und begehrte die Feststellung der Erbunwürdigkeit seines Vaters wegen des Tötungsversuchs. Der BGH stellte in dieser Entscheidung fest, dass es auf die Motive des Beklagten nicht ankomme. Beim Totschlag minder schweren Fall handele es sich lediglich um eine Strafzumessungsregel und nicht um einen eigenen Tatbestand, das Gesetz verlangt jedoch hinsichtlich der Unwürdigkeit die Verwirklichung der Tötung. Für eine Abwägung mit billigenswerten Interessen sei kein Raum. Ferner entschied der BGH, dass die Tötung in jedem Falle schuldhaft erfolgt sein muss. Dies ist ein Unterschied zur Pflichtteilsentziehung. Im Falle der Pflichtteilsentziehung muss der Tötungsversuch lediglich objektiv vorgelegen haben, der Pflichtteilsberechtigte muss dabei nicht schuldhaft gehandelt haben.

Hinzuweisen ist noch auf den Umstand, dass die Erbunwürdigkeit jedoch ausgeschlossen wäre, wenn es sich um eine Tötung auf Verlangen gehandelt hätte bzw. wenn der Beklagte im Einverständnis mit der Erblasserin gehandelt hätte. Hierzu wäre es erforderlich gewesen, wenn diese ihren Willen in einer Patientenverfügung niedergelegt hätte.

Die Entscheidung für deutlich vor Augen, wie wichtig es ist, sich Gedanken über eine Patientenverfügung zu machen. Aber auch wenn keine Patientenverfügung vorliegt, so wäre es in diesem Falle richtig gewesen, die Genehmigung des Betreuungsgerichtes zum Abbruch der Ernährung einzuholen. In beiden Fällen wäre es dann nicht zur Feststellung der Erbunwürdigkeit gekommen.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 11. März 2015, IV ZR 400/14

http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&nr=70617&pos=0&anz=1

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